Hirntumor – Wenn sich dein Leben plötzlich umkehrt

Hirntumor – Wenn sich dein Leben plötzlich umkehrt

Wir sind alle jung, haben unser Leben noch vor uns und die meisten von uns sind dazu noch kerngesund. Das geht aber nicht allen so. Stellt euch vor, ihr seid Ende 20, habt Pläne für euer Leben- und dann erleidet ihr plötzlich einen epileptischen Anfall, auf den im Krankenhaus die Diagnose „Glioblastom“ folgt – ein bösartiger Hirntumor, der als behandelbar, aber unheilbar gilt.

So geht es Erik Klimmek aus Berlin. Der 29-Jährige erlitt am 2. Weihnachtsfeiertag 2016 einen epileptischen Anfall und darauf die Diagnose eines bösartigen Hirntumors.

Wir haben ihn für euch interviewt und hoffen, dass wir euch einige Einblicke geben können.         🙂

 

Was ist das Glioblastom eigentlich?

Ein Tumor, dessen Zellen die Gliazellen des Gehirns (die Stützzellen) diffus infiltriert.
Ich beschreibe es immer gern als Kraken, welcher sich im Hirn platziert hat. Du kannst den Körper entfernen, aber aus den Spitzen der kleinen Ärmchen könnten wieder neue Kraken erwachen. ;D

Wo genau liegt denn der Tumor?

Am rechten Frontallappen. 😉

Wie wurde das Glioblastom bisher behandelt?

Es gab zum Zeitpunkt meiner Behandlung die Standardbehandlung nach Stupp. Das heißt Operation (bei mir 2x), danach Bestrahlung und Chemotherapie.

Welche Medikamente musst du einnehmen?

Während der Standardtherapie gab es in Zyklen Chemo-Tabletten, dagegen Antiemetikum (gegen Übelkeit) und vorbeugend Antiepileptika (gegen Epilepsie). Das Antiemetikum einmal wegzulassen, um zu sehen, wie die Chemo in ihrer vollen Pracht wirkt, war nicht so clever

Spürst du den Tumor?

Nein, wenn er wieder irgendwo anwachsen sollte, kann er Hirnfunktionen beeinträchtigen oder Anfälle auslösen, aber bis dato ist alles ruhig. Einzig die Einbuchtung sieht man / kann man fühlen, wenn man sie anfässt oder darauf herumdrückt. ;D

Wie steht es denn um deine Prognose?

Prognosen sind wie Statistiken, die man nicht selbst gefälscht hat. ;D
Aktuell kann ich mich weder beschweren, noch euch ein genaues Verfallsdatum benennen. Was fest steht: Irgendwann sehen wir alle die Radieschen von unten. ;D

Wie gehst du mit deiner Prognose um?

Die Prognose beim Glioblastom ist relativ. Jeder Mensch ist individuell. Ein Tumor kann vom anderen abweichen, etc… Allen gemein ist aber, dass es eben ein bösartiger Hirntumor ist, der das Hirn infiltriert und somit kann auch ein „sauberes“ MRT (also ohne neuen Tumorherd o.ä.) keine Garantie dafür sein, dass die Krebszellen nicht erneut aufploppen können. Daher: Take it easy und weitestgehend so leben, dass man am Ende nichts bereut.

Hast du lang gebraucht, um -gerade im Krankenhaus- deine Situation zu realisieren und zu verarbeiten?

Das ging relativ fix. Ich war nicht der einzige, der neugierig war, um welche Tumorart es sich handelt, also war man schon früh mit allen Möglichkeiten konfrontiert. Das es dann der Hauptgewinn wurde, war schon fast nebensächlich. Blöd, aber jetzt nicht der sofortige Weltuntergang. In den ersten Momenten nach der Diagnosestellung war dann eher so eine „da ist was, das muss weg, egal wie“ – Stimmung.

Wie hat sich diese Einstellung denn im Laufe der Zeit verändert?

Die Einstellung hat sich nie verändert, ich war vorher rational unterwegs, bin während der Diagnosestellung/ Behandlung rational geblieben und auch jetzt geht’s so weiter. 🙂 Es bringt dir ja auch nichts, in eine Glaskugel zu schauen und ein „hätte – wäre – würde“ zu besprechen. 😉 Selbst wenn jetzt irgendwann ein Rezidiv auftauchen sollte (also der Tumor erneut sein Gesicht zeigt), muss man das von neuem angehen. Und nein, ich glaube, da haben eher andere nicht damit gerechnet, dass ich das so durchziehe. ^^

Wie „reagieren“ denn andere (z.B. Verwandte) auf diese Einstellung? Es würde doch genug Leute geben, die sich im Boden vergraben würden, anstatt die Zeit zu genießen, oder?

Die sind (glaube ich) froh, dass ich damit so umgehe. Mein Vater hatte sich sogar meine Vorhaben (Ernährungsumstellung etc.) zum Vorbild genommen – mehr Respekt für den Umgang kann ich mir nicht vorstellen. Und das zeigt, dass ich so, wie ich damit umgehe, wohl etwas richtig mache. Wenn ich davon dann anderen noch was abgeben kann/ Augen öffnen kann für die kleinen Dinge oder einfach den Spaß am Leben zurückgeben kann: Mission erfüllt.

Wie „hilft“ dir dein Humor denn, so gut damit umzugehen?

Nicht nur der Humor, einfach die innere Einstellung. Wenn du dir mal bewusst machst, dass wir alle irgendwann (früher oder später) sterben müssen und man die Zeit bis dahin meistens nur mit nonsense verbringt, dann weißt du die verbleibende Zeit zu schätzen.

Wie hat sich dein Leben verändert? Wie war es vor der Diagnose und wie sieht dein jetziger Alltag aus?

Hat sich alles wieder normalisiert. Ich stehe fest im Alltag, gehe meine 40h/Woche arbeiten und lebe mein Leben. Nächstes Highlight ist im April ein Trip auf die Seychellen.

Was machst du in deiner „verbleibenden Zeit“? Führst du eine Bucket List oder genießt du einfach?

Bei den Antwortmöglichkeiten: Beides ;D
Genießen und kleine Bucketlist abarbeiten. Hauptsächlich genießen, da ich vieles einfach bewusster wahrnehme / konsumiere.

Hast du jemals am Leben „gezweifelt“ bzw. es für ungerecht empfunden?

Nie. Ich hatte während meiner Anschlussheilbehandlung (nach Krankenhausentlassung) einen osteuropäischen Mann in meiner Gruppe. Er und seine Frau waren von Krebs betroffen und er fragte in die Runde: „Warum? Wir haben nie etwas schlechtes getan. Warum gerade wir?“
Das habe ich mich nie gefragt. Wäre auch sinnlos, da es so viele Auslöser geben kann und rückgängig machen kann man es auch nicht, also damit umgehen oder nicht.

Gibt es manchmal „blöde Blicke“ von anderen, wenn sie deine OP- Narbe sehen?

Im Gegenteil, ich zeige sie ja bewusst. Gehört dazu, bringt einen und auch die Erkrankung ins Gespräch. Das ist eine gute Basis zum aufklären oder einfach den Leuten im Gespräch klar machen, wie wertvoll / endlich das Leben ist bzw. sein kann. 🙂

Was kannst du gesunden Menschen raten, um das Leben zu entschleunigen und zu genießen?

Einfachste Methode? Auch mal Nein sagen. ;D Zur nächsten Party, Feier, Kinobesuch, whatever… Wenn man sich selbst dazu zwingen muss, kann man auch einfach mal „Nein, danke.“ sagen und sich erholen.


Hier sind noch 3 eurer Leserfragen:

Wie würdest du dich in 3 Worten beschreiben?

Normalo, Freak, passierthalt. ;D

Hast du Angst vor dem Tod?

Nicht die Bohne. Kommt sowieso irgendwann.

Wie fühlt man sich um die Zeit herum, in der die durchschnittliche Überlebensdauer anderer gleichaltriger Patienten erreicht ist?

Glücklich. Irgendwer hat sich für mich wohl was ausgedacht, sonst würde ich ja auch nicht die Fragen beantworten können. ;D


Wir bedanken uns ganz herzlich bei Erik für die offene, ausführliche Beantwortung unserer Fragen und wünschen ihm weiterhin alles Gute 🙂


Das zeigt doch einmal mehr, dass man seine Gesundheit schätzen soll – wir freuen uns auf ausgelassene Diskussionen in den Kommentaren! Weiteres findet ihr in Eriks Blog rummelschubser.com .


Das Recht an den Bildern liegt bei Erik Klimmek.



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